Im Rahmen einer Delphi-Befragung wurden 18 Expertinnen und Experten aus der gesamten Schweiz nach den
potentiellen Naturalertragsverlusten bei einem vollständigen oder teilweisen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel (PSM)
im Ackerbau befragt. Das Verordnungspaket zur Parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von
Pestiziden reduzieren» (BLW, 2021) bildete massgeblich die Grundlage für die Vorgaben zur Ausgestaltung der
zugrundeliegenden PSM-Verzichtsmassnahmen. Drei Pakete standen im Fokus: a) Ackerbau ohne alle chemischen
PSM, b) Ackerbau ohne Insektizide, ohne Fungizide und ohne Halmverkürzungsmittel sowie c) Ackerbau ohne
Herbizide. Als weitere Einflussfaktoren wurden das (Referenz-) Ertragsniveau, der Extenso-Anbau und ergänzende
Managementmassnahmen berücksichtigt. Die Resultate geben Aufschluss über die zu erwartenden mittleren
Ertragsverluste sowie die kulturartenspezifischen Varianzen der Expertenschätzungen.
Die Experten und Expertinnen erwarten die grössten Naturalertragsminderungen im Ackerbau bei einem
vollständigen Verzicht auf alle chemischen Pflanzenschutzmittel. Je nach Kultur liegen diese bei einem mittleren
Referenzertrag in einem Bereich von 16–47 %. Beim Verzicht auf Insektizide, Fungizide und Halmverkürzungsmittel
schwanken die Naturalertragsverluste zwischen 10–43 %. Die Mindererträge durch einen Herbizidverzicht wären
laut Schätzung mit 6–20 % am geringsten. In dieser Grössenordnung bewegen sich auch die Resultate für den
Extenso-Ackerbau, wenn hier - zum bereits heute praktizierten Insektizid- und Fungizidverzicht - zusätzlich auf
Herbizide verzichtet würde.
Allgemein ist bei höheren Referenzerträgen auch von höheren Naturalertragsverlusten auszugehen, die Resultate
weisen jedoch auf einen nicht-linearen Zusammenhang zwischen Referenzertrag und Höhe der geschätzten
Naturalertragsverluste hin.
Managementmassnahmen werden von den Expertinnen und Experten als wirksames Gegenmittel zur Abmilderung
der Naturalertragsverluste gesehen. Die grössten Potentiale für eine regulierende Wirkung werden dabei dem
Einsatz widerstandsfähiger Sorten sowie der Anlage von Nützlingsstreifen zugestanden.