Bestäubende Insekten, wie die domestizierte Honigbiene, sowie zahlreiche Wildbienenarten und weitere Wildbestäuber, spielen eine essentielle Rolle in der Erbringung von Bestäubungsleistungen für landwirtschaftliche Kulturen und Wildpflanzen in Agrarökosystemen. Bestäuber sind jedoch unter Druck durch den Verlust und die Fragmentierung ihrer Lebensräume, Nahrungsknappheit, intensive landwirtschaftliche Bewirtschaftung, Pflanzenschutzmittel, Klimawandel und einheimische und eingeschleppte Krankheitserreger und Pathogene, sowie durch das Zusammenspiel all dieser Faktoren. Daten für die Schweizer Landwirtschaft bzgl. der ökonomischen Bedeutung von Bestäubungsleistungen, der Rolle von Wildbestäubern und der Honigbiene bei der Erbringung dieser Leistungen sowie der Auswirkungen auf mögliche Bestäubungsdefizite landwirtschaftlicher Kulturen waren bis vor Kurzem kaum vorhanden. Im Jahr 2014 beschloss der Bundesrat den Nationalen Massnahmenplan für die Gesundheit der Bienen in der Schweiz. Dieser Bericht fasst die u. a. vom Bundesamt für Landwirtschaft in Auftrag gegebenen Arbeiten von Agroscope und ihren Forschungspartnern zur Verbesserung der Datenlage, zu neuen Kenntnisse zu diesem Fragenkomplex und zu möglichen Massnahmen zur Förderung von Bienen und Bestäubungsleistungen zusammen. Die Arbeiten zeigen den grossen ökonomische Wert der hauptsächlich Honig- und Wildbienen erbrachten Bestäubungsleistungen für die Schweizer Landwirtschaft. Alleine der direkte jährliche Produktionswert wurde im Referenzjahr 2014 auf 341 Millionen Schweizer Franken geschätzt. Im Durchschnitt scheint die Bestäubung durch Insekten in den meisten untersuchten Kulturen (Apfel, Kirsche, Raps, Ackerbohne, Himbeere) relativ gut zu sein. In einzelnen Kulturen sind jedoch teils signifikante Produktionssteigerungen durch verbesserte Insektenbestäubung möglich. Dazu gehört z. B. eine Erhöhung des mittleren Ertrags von Kirschen um 10% oder die Erhöhung der Qualität des Ernteguts (z. B. 10% grössere Äpfel der Sorte Gala; weniger deformierte Himbeeren), was wirtschaftlich für die Produzenten sehr relevant ist. Diese Resultate wurden unter optimalen Bestäubungsbedingungen im Jahr 2018 erzielt. In Jahren mit weniger idealen Bedingungen ist möglicherweise mit erheblich grösseren bestäubungsbedingten Ertragslimitierungen zu rechnen. Auffällig war die erhebliche Streuung der bestäubungsbedingten Ertragslimitierung (bis zu 30%) zwischen einzelnen Standorten. In Kirsche und Apfel konnte die Variation gut über Unterschiede in der Anzahl von Honigbienen und bei Kirschen hauptsächlich über die Anzahl und Diversität von Wildbienen erklärt werden. Diese wurden wiederum durch den Anteil an halbnatürlichen Lebensräumen, insbesondere von Biodiversitätsförderflächen (BFF) in der Umgebung der Obstanlagen beeinflusst. In strukturarmen Landschaften konnten die durch den Mangel an Wildbienen verursachten Ertragslimitierungen durch den Einsatz von domestizierten Bestäubern teilweise ausgeglichen werden. Die Honigbiene war in einigen Kulturen die häufigste Bestäuberart und sie war im Durchschnitt für ca. 50% der Blütenbesuche verantwortlich. Insbesondere Kulturen wie Apfel oder auch Raps sind für eine optimale Bestäubung auf in genügend hoher Zahl vorhandene Honigbienen angewiesen. Daneben konnten in der relativ geringen Anzahl an untersuchten Kulturen und Standorten insgesamt über 80 verschiedene Wildbienenarten festgestellt werden. Die Zusammensetzung der Bestäuber-Gemeinschaften war je nach Kultur sehr unterschiedlich. Während in Apfelanlagen die Honigbiene meist klar dominierte, spielten für Kirsche und Himbeere, unabhängig von Honigbienenabundanzen, verschiedene Wildbienen-Gruppen (z. B. Sandbienen-Arten Andrena sp. oder Hummelarten Bombus sp.) eine zentrale Rolle. Hummeln waren auch mit Abstand die wichtigsten Bestäuber von Ackerbohnen und generell wichtige Bestäuber vieler Kulturen, dank ihrer meist hohen Bestäubungseffizienz und der Erbringung von Bestäubungsleistungen auch bei tiefen Temperaturen und schlechter Witterung. Für die genauer untersuchten Kulturen Apfel und Kirsche zeigen die Untersuchungen, dass eine optimale Bestäubung hinsichtlich Ertrag und Qualität durch die Komplementarität von Honigbienen mit Arten- und individuenreichen Wildbienengemeinschaften erreicht wird. In der Kirschenproduktion wurden bei einer hohen Anzahl von verschiedenen Wildbienengruppen und hoher Wildbienendiversität höhere Erträge erzielt, weil die Bestäubergemeinschaften dadurch Temperaturnischen optimal abdeckten. Robuste Vorhersagen von Bestäubern, Bestäubungsleistungen oder dem bestäubungsabhängigen Ertragssteigerungspotential in landwirtschaftlichen Kulturen mit Hilfe von räumlichen Modellen sind mit den zur Verfügung stehenden Inputdaten und aufgrund der Komplexität an Einflussfaktoren nicht verlässlich möglich. Für Honigbienen lassen sich gewisse Aussagen über die Anzahl und Verteilung der Völker und der zu bestäubenden Kulturen machen, aber präzise Vorhersagen sind auch hier nur sehr begrenzt möglich, mitunter aufgrund der grossen Flugradien und dem komplexen Sammelverhalten von Honigbienenvölkern. Für Wildbienen haben die Modelle aufgrund der mangelhaften Input-Daten (beispielsweise bzgl. Lebensraumansprüchen, Flugradien, Sammelverhalten) meist gar keine Vorhersagen erlaubt. Auch die geringe räumliche und zeitliche Auflösung von vorhandenen Daten bzgl. kleiner und kleinster potentiell wichtiger Nahrungs- und Nisthabitate und Kleinstrukturen erschwert eine verlässliche Vorhersage von Wildbienen und deren Bestäubungsleistung. Der Ansatz der räumlichen Modellierung für ein Monitoring von Bestäubern oder indirekt von Bestäubungsleistungen wird deshalb nicht empfohlen; für ein Monitoring scheinen demnach direkte Datenerhebungen in Feld unerlässlich. Um die Bestäubung von landwirtschaftlichen Kulturen in der Schweiz langfristig zu gewährleisten wird empfohlen, die bestehenden Massnahmen zur Förderung von Wildbestäubern und Honigbienen weiterzuführen und weiter zu optimieren. Die im Zuge des Nationalen Massnahmenplans für die Gesundheit der Bienen (2014, 2016) eingeführten Blühstreifen für Bestäuber werden hauptsächlich von polylektischen (generalisierten) Wildbienen und Honigbienen als Nahrungsquelle genutzt. Sie können nachweislich den Reproduktionserfolg solcher Wildbienenarten fördern. Gefährdete Wildbienenarten wurden jedoch nur in relativ geringer Zahl in den Blühstreifen gefunden. Darüber hinaus haben die Blühstreifen einen räumlich begrenzten, positiven Effekt auf die Erdbeerbestäubung, wenn sie neben Erdbeerfeldern angesät werden. Für die meisten Wildbienenarten ist hierbei ein frühes Blühangebot im Jahr wichtig, was jedoch durch einjährige, im Frühjahr angesäte, Blühstreifen kaum erreicht werden kann. Solche Blühstreifen sind vielmehr zur Reduktion der Trachtlücke im Sommer geeignet. Davon profitieren koloniebildende Hummeln und Honigbienen, aber auch eine Reihe von Wildbienenarten mit eher späten Aktivitätsperioden. Mehrjährige Blühstreifen und allenfalls im Herbst des Vorjahres angesäte Blühstreifen sind grundsätzlich besser geeignet, um ein frühes Blühangebot zu erreichen. Mehrjährige Blühstreifen können auch Nistmöglichkeiten bieten, und dadurch dazu beitragen, Wildbestäuberpopulationen über mehrere Jahre aufzubauen und so Bestäubungsleistungen in Kulturen zu fördern. Die aktuelle Zusammensetzung an eher spät blühenden Pflanzenarten in mehrjährigen Buntbrachen ist nicht geeignet, um ein frühes Blühangebot zu erreichen. Des Weiteren zeigen verschiedene Studien die Wichtigkeit vielfältiger Agrarlandschaften mit einem hohen Anteil an verschiedenen gehölzreichen, halb-natürlichen Habitaten wie artenreiche Waldränder und Hecken zusammen mit krautigen, blütenreichen Lebensräumen wie extensiv genutzte Wiesen, Buntbrachen oder Blühstreifen für Bestäuber. Diese können ein kontinuierliches Blütenangebot sowie Nist- und Überwinterungsmöglichkeiten schaffen, welche insbesondere für Wildbienen entscheidend sind. Explizit konnte gezeigt werden, dass die Extensivierung von Wiesen die Häufigkeit und Diversität von Wildbienen stark erhöhen kann, verglichen mit intensiv genutzten Wiesen, was auf ein verbessertes Blütennahrungsangebot sowie bessere Nistmöglichkeiten zurückgeführt werden konnte. Dies kann sich positiv auf die Bestäubungsleistungen in umliegenden Kulturen auswirken. Weiterer Forschungsbedarf besteht, um besser zu verstehen, wie bestehende Massnahmen weiter optimiert werden können, und welche weiteren Massnahmen zur Förderung von Bestäubern und Bestäubungsleistungen beitragen können. Beispielsweise wäre es sinnvoll, permanente Blühflächen mit Nistmöglichkeiten für Wildbienen im Obst-, Beeren- und Ackerbau weiter zu entwickeln. Es wären Massnahmen zu evaluieren, welche Bestäuber auch auf der Produktionsfläche im Ackerbau fördern könnten, beispielsweise mittels blütenreichen Untersaaten (z. B. Leguminosen in Mais, Getreide, Sonnenblumen). Zurzeit wird die Wirksamkeit der Verschiebung des Schnitttermins von blühenden Kunst- und Naturwiesen mit hohem Klee-Anteil auf die Zeit nach der Trachtlücke im (Früh-)Sommer evaluiert. Schliesslich haben Massnahmen zur Schaffung von wichtigen Nisthabitaten für Wildbienen, beispielsweise durch die Anlage von Sandhaufen für bodennistende Wildbienen oder die gezielte Förderung von Nistkleinstrukturen das Potential, mit wenig Flächenbedarf Wildbienen und ihre Bestäubungsleistungen zu fördern. Diese und weitere Massnahmen werden im Rahmen der beiden Ressourcenprojekte «Agriculture et Pollinisateurs» und «Bienenfreundliche Landwirtschaft im Kanton Aargau» auf ihren Einfluss auf Bestäuberpopulationen und auf ihre Akzeptanz bei Landwirtinnen und Landwirten untersucht. Das Ziel ist es, gemeinsam mit weiteren Stakeholdern wirksame, praxistaugliche und breit akzeptierte Massnahmen weiter zu entwickeln, um Bestäuber und Bestäubungsleistungen in Schweizer Agrarökosystemen möglichst effektiv schützen, fördern und nutzen zu können.
Sutter L., Ganser D., Herzog F., Albrecht M.
Bestäubung von Kulturpflanzen durch Wild- und Honigbienen in der Schweiz: Bedeutung, Potential für Ertragssteigerungen und Fördermassnahmen.
Agroscope Science, 127, 2021.
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ISSN en ligne: 2296-729X
Digital Object Identifier (DOI): https://doi.org/10.34776/as127g
ID publication (Code web): 47085
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