Treibhausgasrechner (THG-Rechner) sind Bilanzierungsinstrumente, die den landwirtschaftlichen Klimaschutz unterstützen können. Sie sind wertvolle Hilfsmittel für die Bewusstseinsbildung und Beratung und werden vermehrt auch als mögliche Hilfsmittel für die Evaluation von Reduktionsmassnahmen gehandelt. Hier zeigen wir anhand der Erfahrungen im Projekt AgroCO2ncept sowohl die Möglichkeiten als auch die Grenzen solcher Instrumente am Beispiel des Rechners AgriClimateChangeTool (ACCT) auf. Eine erste THG-Bilanzierung wurde im Projekt 2015 durchgeführt und eröffnete den Landwirt/-innen eine neue Perspektive auf ihre Betriebe («Klimabrille», Treibhausgas-zentrierte Perspektive). Eine begleitende ausführliche Beratung war jedoch unerlässlich, um von der Bilanzierung geeignete Massnahmen abzuleiten. Basierend auf den einzelbetrieblich definierten Massnahmen wurde im Vornherein (ex-ante) in der Summe der 21 Betriebe ein Reduktionspotenzial im Umfang von –3% (entspricht –9±9t CO2eq pro Betrieb) modelliert. Nach drei und sechs Jahren (2018/2021) wurde wiederholt bilanziert, um die Wirkung der Massnahmen zu überprüfen. Der Nachweis von Emissionsreduktionen durch wiederholte Bilanzierungen wurde jedoch durch die Variabilität der Emissionen zwischen den Bilanzierungsjahren erschwert, die nicht durch die Massnahmen zustande kam. Korrigiert um die strukturellen Veränderungen waren die Emissionen aller Betriebe nach drei Jahren um +1% (+3±38t CO2eq pro Betrieb) höher als im Ausgangsjahr. Nach sechs Jahren waren sie um –5% (–15 ± 28t CO2eq pro Betrieb) tiefer. Hauptursache für diese Schwankungen waren einerseits sich ändernde Betriebsstrukturen (z.B. mehr Fläche/GVE) und andererseits äussere Einflüsse (z.B. Witterung). Von den Landwirt/-innen wurde zudem der Einfluss der Marktsituation oder politischer Rahmenbedingungen genannt, welche sich in unterschiedlichen Zeithorizonten auf die Emissionen auswirken. Viele dieser Prozesse können von den Landwirt/-innen nur am Rande beeinflusst werden und können positive Effekte der aktiv umgesetzten Massnahmen überlagern. Das Projektziel, eine Reduktion der Emissionen um 20% pro Betrieb, wurde mit Ausnahme von 2 Betrieben, verfehlt. Die Erfahrungen aus dem Projekt AgroCO2ncept und der Bilanzierung mit ACCT weisen darauf hin, dass die Erwartungen an die Möglichkeiten von THG-Rechnern oft überhöht sind – vor allem bezüglich des exakten Nachweises der Wirkung von Reduktionsmassnahmen. THG-Rechner stellen vor allem dann ein wichtiges Hilfsmittel für den praktischen Klimaschutz dar, wenn sie in ein Gesamtkonzept mit kompetenter Fachberatung eingebettet sind und die Auswirkungen der einzelbetrieblichen Massnahmen im Kontext des gesamten Landwirtschafts- und Ernährungssystems berücksichtigt werden. Insbesondere wenn THG-Rechner als Basis für ergebnisorientierte Kompensationsleistungen genutzt werden, sind grundlegende konzeptuelle Überlegungen nötig. Dazu gehören der Umgang mit dynamischen Betriebsstrukturen und äusseren Einflüssen, die Wahl geeigneter Kenngrössen/Indikatoren die zur Evaluation genutzt werden, sowie der Umgang mit Systemgrenzen und überbetrieblichen Auswirkungen.
Zosso C., Thiébaud E., Huber S., Bretscher D.
Landwirtschaftliche Treibhausgasrechner im Praxistest: Möglichkeiten und Grenzen.
Agrarforschung Schweiz, 15, 2024, 145-155.
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ISSN Online: 2813-317X
Digital Object Identifier (DOI): https://doi.org/10.34776/afs15-145
ID pubblicazione (Codice web): 56065
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