Agroforstsysteme, die Kombination von Gehölzen und landwirtschaftlicher Produktion auf einer Fläche, haben eine lange Tradition in der Schweiz. Doch «veraltet» sind die Systeme nicht. Neben Nahrungs- und Futtermitteln sowie Biomasse bietet Agroforstwirtschaft auch einen Mehrwert für Biodiversität, Ressourcen- und Klimaschutz (Kay et al. 2018). Im Zuge von Fortschritt und Mechanisierung in der Landwirtschaft haben auch Agroforsten in Struktur und Zusammensetzung einen Wandel erfahren. In modernen Systemen werden Einzelbäume bzw. Hecken meist streifenweise in den Acker und die Weide integriert, so dass die etablierte maschinelle Bewirtschaftung weiterhin möglich ist. Diese strukturellen Anpassungen können auch in Hinblick auf Klimawandel oder Markttrends ergänzt werden. Eine Besonderheit, die Agroforstsysteme von der konventionellen landwirtschaftlichen Praxis unterscheidet, ist ihre Langlebigkeit. Die Gehölze liefern erste Obst- oder Energieholz-Erträge nach rund fünf Jahren; Wertholzanlagen hingegen werden erst nach 60 bzw. 100 Jahren erntereif. Um über den gesamten Zeitraum hinweg eine nachhaltige sowie resiliente Produktion sicherzustellen, bedarf es durchdachter Konzepte, die insbesondere eine Auseinandersetzung mit potenziellen Klimaveränderungen sicherstellen. Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf «neuen» Baumarten, die im Zuge der Klimaveränderungen in der Schweiz anbauwürdig werden und neue Märkte eröffnen könnten. Am Beispiel des Mandelbaumes (Prunus dulcis) gingen wir der Frage nach, inwieweit neue Baumarten eine Option für die Schweizer Landwirtschaft darstellen könnten. Ziel war es, einen Überblick über den derzeitigen Stand des Wissens und realistische Potenziale aus praxis- und umsetzungsrelevanten Informationen zum Anbau von Mandeln in der Schweiz zusammenzutragen. Methode: Zwischen Oktober 2019 und Mai 2020 wurden mittels Literaturrecherche und Befragungen Informationen und Einschätzungen zusammengetragen. Rund 170 Expert/innen, darunter 70 Forschende, 27 Baumschulen und Züchter/innen sowie diverse Vereinigungen in der Schweiz und in Nachbarländern wie Frankreich, Italien, Spanien und Deutschland wurden konsultiert. Diese Informationen und Erfahrungen wurden hinsichtlich des Potenzials für den Mandelanbau in der Schweiz ausgewertet, mit regionalen Akteuren diskutiert und weiterentwickelt. Resultate: Die Mandel gehört zu den Rosengewächsen, sie kann bis zehn Meter hoch werden und zeigt sich winterfrosthart bis zu Temperaturen im Bereich von -16°C bis -20°C. Sie blüht zwischen März und April und ist somit etwas früher als die heimische Kirsche. Ein besonderes Merkmal der Mandel ist ihre grosse Trockenheitstoleranz. Bereits bei 190 mm Niederschlag pro Jahr können Mandelbäume überleben. Somit eignen sich für Mandelbäume grundsätzlich dieselben Gebiete, in denen Aprikosen und Wein angebaut werden, wobei Mandeln trockenes Wetter bevorzugen, insbesondere in der zweiten Hälfte der Vegetationsperiode. Der Schädlingsdruck auf Mandeln wird seitens der Expert/innen als gering eingeschätzt. Hingegen wurden Krankheiten wie Monilia, Gummifluss, Kräuselkrankheit oder Europäische Steinobstvergilbungs-Krankheit (ESFY) als potenzielle Probleme aufgelistet. In der Schweiz wird die Mandel bereits angebaut. So gibt es mindestens zwanzig Betriebe, die insgesamt über 330 Mandelbäume gepflanzt haben. Erste (kleine) Erträge sind bereits angefallen. Anbaueinschränkungen, die sich aus den lokalen klimatischen Gegebenheiten ergeben könnten wie z.B. das Abfrieren der Blüten durch Spätfrost, wurden von Praktiker/innen und Expert/innen bisher nicht beobachtet. Die innovativen Praxisbetriebe unterstreichen vielmehr, dass gerade die zu erwartenden Klimaveränderung mit steigenden Temperaturen und vermehrter Trockenheit das Potenzial für den Mandelanbau stetig erhöhen. Auf reges Interesse stiessen wir bei Praktiker/innen als auch bei Abnehmer/innen. Konkret zeigten sich etwa siebzehn Betriebe am Anbau von Mandeln interessiert. Auch mehrere Abnehmer/innen bekundeten reges Interesse, Schweizer Mandeln zu beziehen. Die «Schweizer Mandel» als Produkt können sich einige Abnehmer gut vorstellen. Jedoch offenbarte die Recherche auch: Es sind noch viele Fragen offen. Vom optimalen Standort, den geeigneten Sorten, der optimalen Kulturführung, einer angepassten Strategie zu Management und Verarbeitung bis hin zum Absatzmarkt müssen noch viele Antworten gefunden werden. Schlussfolgerungen: Die Ergebnisse zeigen, dass Schweizer Mandeln als Produkt sowohl in der landwirtschaftlichen Praxis als auch im Abnehmermarkt als interessante Option für die Zukunft wahrgenommen werden. Die Auswahl einer angepassten Mandelsorte und eines geeigneten Anbau- und Managementsystems fällt Schweizer ProduzentInnen aber (noch) schwer. Im Hinblick auf den Klimawandel stellt die Mandel - als eine Komponente in Schweizer Agroforstsystemen – auf jeden Fall eine vielversprechende Option dar. Im Rahmen des Projektes wurden bereits erste Schritte hinsichtlich Schaffung neuen Wissens sowie Weitergabe bestehenden Wissens unternommen. So diente eine Informationsveranstaltung dem inhaltlichen Austausch von Praxis, Forschung und Verwaltung. Darüber hinaus konnte das Agroscope-Steinobstzentrum Breitenhof eine Sortenprüfung mit zwanzig Mandelsorten starten. Die Ergebnisse werden in den kommenden Jahren erwartet.
Neue Ideen für etablierte Systeme - Agroforstsysteme mit Mandeln in der Schweiz?
In: Landwirtschaft im Kontext des Klimawandels - Risiken und Handlungsoptionen; SGA Tagung 2021. 19.03., Publ. Schweizerische Gesellschaft für Agrarwirtschaft und Agrarsoziologie (SGA), Online. 2021.
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